“Führerschein-Vernichtungsmaschine” Extreme Verschärfung der Bußgelder und Fahrverbote

Am 28.04.2020 verschärfte die Bundesregierung die Bußgelder und Fahrverbote extrem. Damit folgt die Bundesregierung dem Trend  von Ländern wie der Schweiz oder Spanien. Der Verein Mobil in Deutschland nannte die Novelle gar eine “Führerschein-Vernichtungsmaschine”. ADAC und FDP nennen es “praxisfern und überzogen”.

ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand kritisierte: “Geschwindigkeitsverstöße werden sowohl innerorts als auch außerorts deutlich früher mit Fahrverbot belegt – unabhängig von der Gefährdungssituation und ohne ausreichende Differenzierung”. FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic kritisiert, dem neuen Bußgeldkatalog fehle es “teilweise an Maß und Mitte”. Beispiele:

  • Wer auf Autobahnen und Bundesstraßen mit 26 Km/h zu schnell erwischt wird, erhält 1 Monat Fahrverbot und muss 80 Euro Bußgeld zahlen. Innerorts genügen dafür bereits 21 km/h zu viel. Anders als bisher kann schon beim ersten Mal der Führerschein für einen Monat weg sein. Bisher waren es 31 km/h innerorts und 41 km/h außerorts erforderlich.
  • Innerorts und außerorts verdoppeln sich alle Bußgelder bis unter 20 km/h Überschtreitung. Innerorts bis 10 km/h zu schnell: 30 Euro, bis 15 km/h 50 Euro und bis 20 km/h 70 Euro. Außerorts kostet es nun 20, 40 und 60 Euro.
  • Parken und Halten in der zweiten Reihe kosten nun 55 statt 20 Euro. Mit Behinderung, Gefährdung (Auslegungssache) oder Sachbeschädigung wird kostet es 110 Euro und einen Punkt.
  • Falschparken auf einem Parkplatz für Elektroautos wird nun ebenso hart zu bestrafen wie auf einem Parkplatz für Schwerbehinderte: 55 Euro.
  • Parken auf Geh- und Radwegen steigt von 20 auf 55 Euro. Wenn jemand behindert oder gefährdet wird (was auf Radwegen praktisch immer der Fall ist, kostet es bis zu 100 Euro und einen Punkt.
  • Parken auf und Befahren von Gehwegen, Seitenstreifen, Verkehrsinseln, und Radwegen kostet statt 10 nun 55 bis 100 Euro.
  • Befahren von Straßen mit höherem zulässigen Gesamtgewicht als erlaubt: 40 statt 20 Euro.
  • Falsch herum in Einbahnstraßen fahren (ohne Gefährdung): 50 statt 25 Euro.
  • Beim Abbiegen die Vorfahrt nehmen steigt von 20 auf 40 Euro. Mit Gefährung (wie grenzt man das ab?) verdoppelt sich die Strafe von 70 auf 140 Euro, hinzu kommt ein Punkt in Fensburg und ein Monat Fahrverbot.
  • Radfahren auf dem Bürgersteig steigt von 15 auf 25 statt 15 Euro, mit Gefährdung von 25 auf 35 Euro.
  • Nicht genügend aufzupassen beim Ein- und Aussteigen steigt von 20 auf 40 Euro. Aber was genau ist “nicht genügend”? Was ist, wenn man aussteigt, nachdem man den Innenspiegel angeklappt hat, damit er nicht abgefahren wird und man dann vor dem Aussteigen zwangsläufig eine schlechtere Übersicht hat?
  • “Autoposing”, also “unnötiges hin- und herfahren” steigt von 20 auf bis zu 100 Euro – aber wie legt man fest, was eine unnötige Fahrt ist? Sind Spazierfahrten nun strafbar? Ist ein Bußgeld fällig, wenn man eine Straße erst die die eine und dann in die andere Richtung befährt – vor allem in Tempo-30-Zonen?
  • Abgelaufene Parkuhr abläuft oder fehlende Parkscheibe steigen ab der ersten Sekunde von 10 auf 20 Euro, bei längerer Dauer auf 40 Euro.
  • Kurz Halten im Halteverbot steigt von 10 auf 20 Euro. Mit Behinderung (Auslegungssache) auf 35 Euro.
  • Parken im Halteverbot steigt von 15 Euro auf 25 Euro an. Mit Behinderung (auch Auslegungssache) auf 50 Euro.
  • Unerlaubtes Parken an engen oder unübersichtlichen Stellen steigt von 15 auf 35 Euro, mit Behinderung auf 55 Euro (auch Auslegungssache, was eng oder unübersichtlich oder eine Behinderung ist).

Der ADAC Club-Jurist Stefan Bergmann kommentiert die neuen Bußgeldregeln und Fahrverbote in Deutschland:

Verschärfungen in Spanien: 300 Euro für Tempo 111 auf Autobahnen

Spanien verschärft im Laufe des Jahres 2020 das Tempolimit auf einspurigen Staßen in geschlossenen Ortschaften auf Tempo 30. Gemeinden dürfen allerdings für einzelne StaßenTempo 50 als Höchstgeschwindigkeit festlegen. In Städten wie Madrid, Barcelona, Valencia oder Sevilla ist das bereits der Fall.

Geschwindigkeitsüberschreitung auf Schnellstraßen (auf denen das Limit ohenhin bei nur 90 km/h liegt): Ab 21 km/h Überschreitung steigt das Bußgeld von 100 auf 300 Euro. Das sind schon fast Schweizer Extremstrafen.

Italien: 400 Euro für Handy am Steuer

In Italien müssen Autofahrer mit Handy am Steuer künftig mindestens 400 statt bisher 165 Euro zahlen. Damit schließt Italien zum EU-Bußgeld-Spitzenreiter Estland auf. Außerdem droht ein Fahrverbot zwischen einer Woche und einem Monat, beim zweiten Mal von 3 Monaten.

Neu ist ein Gesetz, das in Pkw mit italienischer Zulassung Kindersitze mit Alarmsystem vorschreibt. Das soll verhindern, dass Kleinkinder allein im Auto zurückgelassen werden. Eine gute Sache! Die Vorschrift gilt auch für Touristen, die sich einen Mietwagen leihen. Die Höhe der Strafen ist noch unklar.

Hart ist Italien auch bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, zum Beispiel 110 Euro für 2 (in Worten: zwei) Km/h zu viel mit einem Wohnwagengespann.

Ansonsten gilt quer durch Europa: Überall werden Strafen im Straßenverkehr verschärft. Ein Fall, in dem eine Verschärfung gelockert wurde, ist uns nicht bekannt.

ADAC Bußgeldrechner Ausland

Einen guten Überblick vor Ihrer nächsten Reise finden Sie im Bußgeldrechner Ausland des ADAC.